//Warum schlafen wir?

Warum schlafen wir?

1988 führte der Wissenschaftler Allen Rechtschaffen ein recht gemeines Experiment an Ratten durch, um an ihnen die Folgen von Schlafentzug zu untersuchen:1 Die Tiere wurden auf einen Drehteller über einem Wasserbecken gesetzt und ihre Gehirnaktivität mithilfe von Elektroden gemessen. Sobald die Ratten in Schlaf verfielen, begann der Teller sich zu drehen, sodass die Tiere erwachten und laufen mussten, um nicht ins Wasser zu fallen.
Die Folge: die Tiere aßen mehr, magerten jedoch gleichzeitig ab. Ihr Fell wurde zerzaust und Hautläsionen erschienen ohne offensichtliche Ursache. Schließlich – nach etwa zwei bis drei Wochen der Tortur – starben die Ratten. Die genaue Ursache – von Schlafentzug einmal abgesehen – war jedoch nicht ersichtlich.
Während solche Experimente (hoffentlich) nicht an Menschen durchgeführt werden, scheint es auch bei uns Fälle zu geben, in denen Schlafentzug zum Tode geführt hat.2 Wissenschaftlich erwiesen ist jedenfalls, dass häufige Schlaflosigkeit langfristig die Todesrate deutlich erhöht.3
Schlaf scheint also eine lebensnotwendige Funktion für unsere Körper zu erfüllen. Und diese Funktion scheint so wichtig zu sein, dass Schlaf in allen uns bekannten Tieren vorkommt, seien es Säugetiere, Fische, Vögel, Korallen, oder selbst kleinste Fliegen.4
Dennoch hat die moderne Medizin keine abschließende Antwort auf die Frage finden können, warum wir letztendlich schlafen müssen um zu überleben.
Es gibt jedoch eine ganze Reihe an experimentellen Befunden, welche zumindest Teilfunktionen von Schlaf herausfinden konnten. Im Folgenden sind hier einige vorgestellt:

 

Während dem Schlaf entgiftet das Gehirn

Gehirnzellen produzieren ständig giftige Abbauprodukte, welche unsere Hirnleistung beeinflussen würden, wenn sie nicht entfernt würden. Zu diesem Zweck wird unser Hirngewebe von einer Flüssigkeit, dem sogenannten Liquor, umspült5. Die Aufgabe des Liquors ist es, das Gehirn vor Verletzungen zu schützen, mit Nährstoffen zu versorgen, und eben „giftigen Abfall“ zu entsorgen.
Forscher haben herausgefunden, dass sich die Hirnzellen während dem Schlaf zusammenziehen, wodurch sich der Raum zwischen diesen vergrößert und eine größere Menge Liquor schneller durch das Gehirn fließen und somit Giftstoffe effizienter auswaschen kann.6 Würden wir hingegen keinen Schlaf bekommen, würden sich diese Giftstoffe anhäufen und unsere geistige Leistungsfähigkeit einschränken.

 

Schlafen hilft beim Lernen

Während dem Schlafen ordnet das Gehirn sich neu. Manche Verbindungen zwischen Hirnzellen werden verstärkt, andere abgebaut.7 In der Summe hilft uns dies, neugelerntes Wissen besser zu speichern und unwichtige Informationen zu vergessen.
Eine Vielzahl von Experimenten zeigt die große Bedeutung, die Schlaf für unser Lernen hat.
So konnte beispielsweise eine Schule in Großbritannien die Mathe- und Englisch-Leistungen ihrer Schüler deutlich steigern, indem sie den Unterrichtsbeginn um eine Stunde nach hinten verschob.8 Eine weitere Studie zeigt, dass Babys sich neue Worte besser einprägen konnten, wenn sie nach dem Hören ein Schläfchen hielten.9 Und auch das Erlernen von motorischen Fähigkeiten wird durch ausreichenden Schlaf stark gefördert. So konnten Spitzenschwimmer der Stanford University ihre Geschwindigkeit im Vergleich zu einer Kontrollgruppe deutlich verbessern, nachdem sie begonnen hatten, jede Nacht 10 Stunden lang zu schlafen.10 Und ähnliche Ergebnisse fanden sich auch für Tennis- und Basketballspieler.11,12

 

Schlaf stärkt das Immunsystem

Im Schlaf werden vermehrt Abwehrzellen produziert, welche für die Bekämpfung von Viren und Bakterien verantwortlich sind.13 Dies ist sowohl für die Bekämpfung von bestehenden als auch für die Vermeidung von neuen Infektionen von Bedeutung. Des Weiteren steigert ausreichender Schlaf die Bildung von Antikörpern gegen Krankheitserreger und hilft somit eine Resistenz gegen bereits ausgestandene Krankheiten aufzubauen.
Das gleiche trifft natürlich auch im Umkehrschluss zu: wer zu wenig schläft hat ein höheres Risiko an Krankheiten zu erkranken. Studien entdeckten, dass, wer weniger als sechs Stunden pro Nacht schläft, im Vergleich mit Langschläfern bis zu viermal so häufig an Erkältungen erkrankt.14
Chronischer Schlafmangel steigert zudem das Risiko für eine ganze Reihe an schweren Erkrankungen, wie beispielsweise Übergewicht, Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall.15

 

Wachstumshormone werden ausgeschüttet

Während dem Schlaf wird die Ausschüttung verschiedener Hormone gesteigert. Unter diesen befindet sich auch das Wachstumshormon Somatotropin (auch bezeichnet als HGH, „human growth hormone“), welches eine ganze Reihe positiver Eigenschaften aufweist: es unterstützt Wundheilung, Immunabwehr, Hautregeneration und Aufbau von Muskelmasse.16 Dieses Hormon ist auch für das Wachstum von Kindern verantwortlich und mit einer der Gründe, warum ausreichender Schlaf für Kinder besonders wichtig ist.17

 

Träume für das Reifen des Nervensystems

Träume finden während einer Phase unseres Schlafes statt, die als REM-Phase („rapid eye movement“) bezeichnet wird. Nach dem Theorie des Schlafforschers Michel Jouvet, besteht die Aufgabe des REM-Schlafes – und damit von Träumen – in der Ausbildung genetisch festgelegter Nervenverbindungen, welche das sogenannte Instinktverhalten ermöglichen.18 In Tieren, welche noch nicht von Geburt an auf ihren eigenen Beinen unterwegs sind, (z.B. Menschen,) scheint REM-Schlaf den Ersatz für die Umweltreize zu bieten, die das Nervensystem für seine Reifung benötigt.

 

Das Schlafbedürfnis ist individuell verschieden

Zwar ist Schlaf für jeden Menschen wichtig, jedoch unterscheidet sich die Dauer des benötigten Schlafes je nach Lebensabschnitt und Individuum. Kinder benötigen somit beispielsweise deutlich mehr Schlaf als Erwachsene. Interessanterweise kann jedoch kann jedoch nicht nur zu wenig, sondern auch zu viel Schlaf schädlich sein und das Risiko für verschiedene Krankheiten erhöhen oder sogar die Lebenserwartung senken.19
Daher widmete sich die sogenannte Non-profit Organisation „National sleep foundation“ der Frage, welche Schlafdauer während jedem Lebensabschnitt optimal war.20  Als Ergebnis empfiehlt sie Erwachsenen eine tägliche Schlafdosis von etwa 7 bis 9 Stunden.
Es muss jedoch bedacht werden, dass dies nur einen mittleren Bereich darstellt und das tatsächliche Schlafbedürfnis individuell höher oder niedriger liegen kann.
Tatsächlich hat man bereits Genmutationen identifiziert, welche das Schlafbedürfnis verringern, sodass es eine kleine Gruppe an Menschen gibt, welche auch mit nur 5-6 Stunden Schlaf pro Nacht gesund bleiben können.21 Die Spitze der „Wenigschläfer“ stellt übrigens eine anonyme „Miss M.“ dar, welche bereits in den 1970ern entdeckt wurde und bemerkenswerterweise mit nur etwa einer Stunde Schlaf pro Nacht auszukommen scheint.22

 

Die essentielle Funktion des Schlafs

Abschließend lässt sich sagen, dass, während viele Effekte von Schlaf bereits bekannt sind, die letztendlich lebensnotwendige Funktion von Schlaf noch nicht aufgedeckt wurde. Ebenso ist noch nicht verstanden, weshalb manche Menschen auch ohne Nachteile mit weniger Schlaf überleben können. Wissenschaftler haben die These geäußert, dass Schlaf, neben den bekannten Funktion, der Instandhaltung unserers Nervensystems auf molekularer Ebene dient.4 Doch genaueres Wissen wird erst durch zukünftige Forschung erlangt werden.

 

2018-03-17T23:25:21+00:00